Der Schweizer Finanzplatz: Ein Klima-Riese
Ende Mai wurde in Hinwil in Anwesenheit von viel Prominenz die erste Anlage der Welt eingeweiht, welche CO2 aus der Luft filtert und danach an einen kommerziellen Anbieter verkauft. Das ambitionierte Fernziel der Entwickler: Bis zu einem Prozent der weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen aus der Luft filtern. Um die ambitionierten Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und damit die drohende Klimakatastrophe abzuwenden, braucht es solche Innovationen. Gleichzeitig müsste die Schweiz aber noch viel mehr tun, um das globale Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Finanzplatz Schweiz.
Nach wie vor investieren die Schweizerische Nationalbank, Banken und Pensionskassen im grossen Stil in fossile Energien wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt etwa, dass die Nationalbank 10,8 Prozent ihres US-Aktienportfolios in Unternehmen der klimaschädigenden Industrie investiert. Mit solchen Investitionen hat die Schweiz einen erheblichen Anteil am weltweiten CO2 –Ausstoss. Denn die vom Schweizer Finanzplatz gesteuerten Aktivitäten verursachen ein Zwanzigfaches der einheimischen «territorialen» Treibhausgas-Emissionen. Das entspricht mehr als 2 Prozent der weltweiten Emissionen. Gleichviel wie Deutschland oder Japan.
Die schmutzigen Investitionen sind aber nicht nur schädlich fürs Klima, sie stellen auch wirtschaftlich ein grosses Risiko dar: Gemäss Einschätzung der Bank HSBC sind 40-60 Prozent des Börsenkapitals von Öl- und Gasunternehmen Risiken einer Kohlenstoff-Blase ausgesetzt. Wenn man bedenkt, dass die Pensionskassen eben diese Geschäfte mit Vorsorgegeldern tätigen, haben wir alle ein sehr direktes finanzielles Interesse, dass solche Investitionen sofort eingestellt werden.
Eine breite Koalition von Umwelt-, Nichtregierungsorganisationen und Parteien fordert deshalb von der Nationalbank und den Pensionskassen den Ausstieg aus klimafeindlichen Energien. Mit einigem Erfolg: Seit dem Start der Kampagne 2015 haben bereits zahlreiche Pensionskassen desinvestiert und sind auf andere Anlageobjekte umgestiegen.
Und auch international gibt es Bewegung: In Irland hat der Druck aus der Zivilgesellschaft Anfang des Jahres dazu geführt, dass das Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, das klimaschädliche Investitionen in fossile Energieträger durch den sämtliche öffentlichen Gelder verbietet. Und der milliardenschwere norwegische Staatsfonds beschloss ebenfalls dieses Jahr, dass von ihm mitgetragene Banken aufzeigen müssen, welche Auswirkungen ihr Geschäft aufs Klima hat.
Noch bleibt allerdings viel zu tun und die Zeit drängt. Klimaforscher haben errechnet, dass der Menschheit bis 2050 Zeit bleibt, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwehren, indem der Ausstoss von Treibhausgasen gegenüber dem Stand von 2005 um 90 Prozent gesenkt wird. Eine Herkulesaufgabe. Vor diesem Hintergrund ist der von Donald Trump beschlossene US-Ausstieg aus dem Klimaabkommen ein Anschlag auf unseren Planeten. Aber auch die Weigerung der Nationalbank, zahlreicher Banken und Pensionskassen, ihren Beitrag an den Klimaschutz zu leisten, sind hochgefährlich und unverantwortlich. Eine Nachfrage bei der eigenen Pensionskasse mit der freundlichen Bitte, aus dem Kohlenstoff-Geschäft auszusteigen, lohnt sich also auf jeden Fall.