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Militärisch-industrieller Staatsstreich

Am 19. September 2022 unterschrieben der damalige Rüstungschef Martin Sonderegger und der damalige Projektleiter für die Beschaffung des neuen Kampfflugzeuges Darko Savic den ominösen, bis heute geheimen Vertrag mit der US-Regierung über den Kauf von 36 F-35-Kampfjets des Rüstungsherstellers Lockheed Martin. Zehn Tage zuvor hatte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats einen gesalzenen Bericht veröffentlicht, in dem sie das Evaluationsverfahren zur Typenwahl kritisiert hatte. Bereits früher im selben Jahr hatte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), die unabhängige Überwachungsbehörde über die Bundesfinanzen, einen Bericht veröffentlicht, in dem sie zum Schluss kam, dass es «keine rechtliche Sicherheit für einen Fixpreis» gebe. Dieser Bericht deckte sich mit den Aussagen sämtlicher unabhängiger Expert:innen, die vergeblich darauf hinwiesen, dass gemäss dem «Foreign Military Sales»-Programm der USA kein Land je einen Fixpreis bei grossen Rüstungsbeschaffungen erhalten hatte.

Einen Monat vor der Unterschrift des Vertrags, am 16. August, war die Stopp-F-35-Initiative mit 102 664 gültigen Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht worden. Nachdem das Volk 2020 mit dem knappest möglichen Ergebnis von 50,1 Prozent dem Kauf neuer Kampfflugzeuge im Grundsatz zugestimmt hatte, hätte die Bevölkerung mit der Volksinitiative die Möglichkeit erhalten, Stellung zur Typenwahl und dem missglückten Evaluationsprozess zu nehmen. Mit der Unterzeichnung des Vertrags wurde die Initiative hinfällig – der demokratische Prozess ausgehebelt.

Diese Vorgeschichte dürfen wir nicht vergessen, wenn sich bürgerliche Sicherheitspolitiker:innen heute, angesichts der höheren Preisforderung der USA, überrascht und empört zeigen. Die Fakten lagen bereits damals auf dem Tisch. Die rechte Mehrheit im Bundeshaus hatte sich bewusst entschieden, sämtliche Warnungen von offizieller Seite in den Wind zu schlagen und den demokratischen Prozess auszuhebeln, um den F-35 durchzudrücken. Dieser militärisch-industrielle Staatsstreich gegen die demokratischen Institutionen unseres Landes wurde kombiniert mit Häme und Spott gegen die Gegner:innen des US-Tarnkappenbombers. «Wünschen Sie eine Bestätigung der Bestätigung?», gab Viola Amherd an einer Kommissionssitzung im Sommer 2022 gemäss der NZZ süffisant zu Protokoll, als eine kritische Parlamentarierin die Fixpreis-Legende in Frage stellte.

Inzwischen haben sich die damaligen Verantwortlichen im VBS allesamt aus dem Staub gemacht. Zurück lassen sie einen Milliardenschaden, eine ausgehebelte Demokratie und ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Schweiz. Der F-35 ist ein fliegender Computer, mit dem sich die Schweiz vollständig abhängig macht von der neofaschistischen Trump-Regierung, die für den F-35 Zugriff auf die IT-Systeme der Armee verlangt und damit die Schweizer Souveränität infrage stellt. Portugal und Kanada nehmen deshalb Abstand vom F-35. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Schweiz es ihnen gleichtut. Stattdessen sollte sie die Lebensdauer des F/A-18 verlängern und sich dann in aller Ruhe ein Konzept für den Luftraumschutz überlegen, das auf der Höhe der Zeit, europäisch abgestimmt und finanziell verkraftbar ist.

Dieser Beitrag erschien am 11.07.2025 zuerst im «P.S.». 

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