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Mit Leistungskürzungen ist die Zukunft in Gefahr

Eine Freundin von mir wurde kürzlich zum ersten Mal Mutter. Nachdem ich das Kind bewundert und wir uns über allerlei Umstellungen im Leben der neuen Eltern unterhalten hatten, kamen wir aufs Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sprechen. Sie regte sich auf: „Warum gibt es in der Schweiz immer noch keine Elternzeit?“ So habe ihr Partner keine Chance, an der Zukunft ihres Sohnes teilzunehmen.

Bei der Elternzeit ist es wie bei vielen Themen, die in der Bevölkerung ein grosses Bedürfnis sind: zu teuer, lautet das Totschlag-Argument. Aber wie kann es sein, dass im reichsten Land der Welt, alles, dass der Allgemeinheit zu Gute kommen würde, zu teuer scheint? Offensichtlich kommt der vorhandene riesige Wohlstand nicht bei der Allgemeinheit an.

Die junge Mutter ist mit ihrer Sorge gemäss einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des World Economic Forums (WEF) nicht allein. Das Ergebnis der Befragung bei Millenials – also den heutigen oder künftigen Eltern – aus 186 Ländern lautet: 30,8 Prozent der befragten jungen Menschen sind der Meinung, dass bei der wachsenden Ungleichheit der Einkommen und Vermögen etwas schief läuft. Interessant ist, dass von den Schweizer Jungen sogar 51 Prozent Ungleichheit als das grösste Problem der Schweiz betrachten.

Der Ökonom Thomas Piketty untersuchte 2014 die Entwicklung der Vermögens- und Einkommensverteilung weltweit. Fazit: Die Ungleichheit steigt seit den 1970er Jahren wieder. Die 0,1 Prozent Reichsten beziehen ihr Vermögen noch hauptsächlich aus Kapitaleinkommen – ohne dafür zu arbeiten oder Arbeit zu schaffen. Gleichzeitig schrumpft die Mittelschicht und die Arbeitslosigkeit steigt. In der Folge nehmen Chancengleichheit und die Teilhabe der Mehrheit der Gesellschaft nimmt ab. Und auch die wirtschaftliche Grundlage wird bedroht, da durch die Vermögenskonzentration Innovation und Wirtschaftswachstum verringert werden.

In der Schweiz zeigen sich diese Folgen ebenso wie in Entwicklungsländern. Während in vielen Regionen der Welt das Geld für grundlegende staatliche Leistungen fehlt, werden in der Schweiz wo immer möglich existierende Leistungen gekürzt oder weitere Fortschritte verhindert. Sei es im öffentlichen Verkehr, bei der Verbilligung von Krankenkassenprämien – oder eben bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ohne eine grundlegende Wende in der Steuerpolitik wird sich dies auch nicht ändern. Und es wird auch in Zukunft kein Geld für die junge Generation und Familien vorhanden sein. Oder wie es Piketty in seinem Buch formuliert hat: „Die Vergangenheit frisst die Zukunft auf.“