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Vom gallischen Dorf zur Wohngemeinschaft

Ich habe Jahrgang 1990. Seit ich denken kann, wird in der Schweiz schlecht über die Europäische Union und überhaupt alles Fremde gesprochen. Und viel zu wenig widersprochen. Trotz essentieller wirtschaftlicher Integration, engen wissenschaftlichen Banden, kulturellem Austausch und gemeinsamer Wertetradition hat sich in weiten Teilen unserer Gesellschaft der Eindruck verfestigt: Die Schweiz ist, was sie ist, nicht dank, sondern gegen Europa. Dieses Zerrbild unseres Landes als gallisches Dorf, dass sich gegen die römische Besatzung wehrt, verhindert nicht nur eine realistische Artikulation der Schweizer Interessen, es führt auch dazu, dass unser Land keinerlei Verantwortung übernimmt für die gemeinsamen europäischen Aufgaben. 

Unklare Beziehungen

Während Europa angesichts von Klima- und Wirtschaftskrise sowie jüngst dem Krieg in der Ukraine enger zusammenrückt, sind die Beziehungen der Schweiz zu unseren Nachbarn seit dem verantwortungslosen Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen so ungeklärt wie nie. Und während die Ratlosigkeit im Bundesrat andauert, nimmt der Schaden für Forschung und Wirtschaft ein beträchtliches Ausmass an. Immer mehr zeigt sich, dass der bilaterale Weg an seine Grenzen stösst.

Wiederbelebung der «europäischen Allianz» im Parlament

In dieser Situation muss die Europa-Allianz im Parlament, die sich für eine pragmatische, aber stetige Integration unseres Landes in Europa einsetzt, wiederbelebt und der zivilgesellschaftliche Druck für eine verantwortungsvolle und solidarische Schweiz erhöht werden. Die Europäische Bewegung, die sich als einzige Schweizer Organisation den EU-Beitritt als oberstes Ziel auf die Fahne geschrieben hat, spielt hier eine entscheidende Rolle. Als langjähriges NEBS-Mitglied freue ich mich deshalb enorm, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Verantwortung übernehmen

Die Lösung der institutionellen Fragen des EU-Binnenmarktzugangs der Schweiz sind das drängende Problem, das rasch gelöst werden muss. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass wir angesichts der gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit, die unser Kontinent nur gemeinsam lösen kann, auch einen politischen Kulturwandel einläuten und alte Zerrbilder korrigieren müssen. Weg vom Trauma des EWR-Neins, das bis heute die Europa-Politik in den Köpfen blockier; hin zu einer Schweiz, die als gleichberechtigter Teil des gemeinsamen Hauses Europa Verantwortung übernimmt für diese wunderbare Wohngemeinschaft. Daran müssen wir als Bewegung arbeiten. 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift der Europäischen Bewegung Schweiz.