Wendepunkte
Die Weltlage ist momentan schwer auszuhalten. Während Putin seinen imperialen Angriffskrieg gegen ein europäisches Land unvermindert fortsetzt, ist Donald Trump in den USA dabei, die altehrwürdige Demokratie in eine Autokratie zu verwandeln und sich mit geladener Waffe an der Brust der Ukraine einen Teil der Beute einzuverleiben und das Land aufzuteilen. Im Nahen Osten bleibt eine humanitäre Katastrophe zurück und die Lage ein Pulverfass. Die Zeit der Machtpolitik ist definitiv zurück. Die Nachkriegsordnung, welche zum Ziel hatte, die Stärke des Rechts gegenüber dem Recht des Stärkeren zu etablieren, ist mit dem Amtsantritt von Trump im Niedergang begriffen. Autokraten verhandeln über die Köpfe der Betroffenen über die Lösung fundamentaler Probleme. Und während alle Augen in Europa auf die nächsten Schritte des orangen Neofaschisten gerichtet sind, bahnt sich in den ärmsten Ländern die nächste Katastrophe an.
Am Montag, dem 20. Januar 2025, verhängte Präsident Donald Trump einen Zahlungsstopp für die Auslandshilfe der USA, einschliesslich der Mittel der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID). Zehntausende Projekte im Ausland wurden von einem Moment auf den anderen gestoppt. Mitte Februar, als ich die Ukraine besuchte, waren dort die Auswirkungen dieses Schritts bereits deutlich spürbar. Uno-Agenturen planten, ihre Arbeit ab März deutlich zurückzufahren. Hunderttausende Menschen, die von humanitärer Hilfe abhängig sind, droht ein Ende ihrer Unterstützung. Noch dramatischer ist die Situation für die ärmsten Menschen im Globalen Süden. Nachdem Hunger und Armut in der Welt während Jahrzehnten gesunken sind, haben sie ab ca. 2015 wieder zugenommen. Klima-Krise, Konflikte und Covid-19 haben zu massiven Rückschlägen geführt. Knapp 800 Millionen Menschen weltweit, fast jede zehnte Person auf der Welt, leiden heute an Hunger. Für diese Menschen ist die Unterstützung internationaler Organisationen überlebenswichtig. Viele von ihnen überleben nur dank humanitärer Hilfe von einem Tag zum nächsten. Die USA haben bis zum Zahlungsstopp von USAID 40 Prozent der humanitären Hilfe weltweit finanziert und waren für einen Drittel der globalen Beiträge der internationalen Zusammenarbeit, also inklusive Entwicklungszusammenarbeit und wirtschaftlicher Kooperation zugunsten armer Länder, verantwortlich. Der Wegfall dieser Finanzierung wird Millionen von Menschen in den Tod treiben.
Zwar hat der Oberste Gerichtshof der USA den Zahlungsstopp für die vom Kongress bereits bewilligten Gelder aufgehoben. Ob sich die Trump-Administration allerdings an dieses Urteil halten wird und was danach geschieht, ist mehr als unklar.
Der fundamentale Politikwechsel der USA bedroht nicht nur die regelbasierte Weltordnung und die Sicherheit Europas, sondern auch den Kampf gegen Hunger und Armut und damit Millionen von Menschenleben weltweit. An diesem Wendepunkt der Geschichte müssen die verbleibenden Demokratien zusammenstehen, wie nie. Sie müssen Recht, Gerechtigkeit und Frieden verteidigen. Während die Autokraten Macht und Geld ins Zentrum stellen, braucht es heute mehr denn je eine koordinierte Politik für die Menschlichkeit. Unzählige Menschen sind nicht bereit, das Niederreissen der alten Ordnung kampflos zu akzeptieren. Das macht Hoffnung. Und es gibt erste Anzeichen für eine stärkere Zusammenarbeit der europäischen Staaten. Es wird Zeit, dass sich die Schweiz viel stärker daran beteiligt.
Dieser Beitrag erschien am 07.03.2025 zuerst im «P.S.». Foto: Marek Studzinski