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Zusammen Partei ergreifen für die soziale Schweiz

Liebe Genossinnen und Genossen

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Normalerweise ist das Sechseläuten ein Indikator fürs Wetter am 1. Mai. Es hat sicher nichts mit dem Böögg zu tun, aber die historische Erfahrung hat gezeigt, dass am 1. Mai die Sonne scheint, wenn es am Sechseläuten regnet oder umgekehrt. Dieses Jahr regnet es an beiden Anlässen, aber das ist auch gerade die einzige Gemeinsamkeit der beiden Anlässe. Im Gegenteil: Die symbolische Diskrepanz könnte nicht grösser sein.

Vier Wochen nachdem die selbsternannte Zürcher Wirtschaftselite die Credit Suisse an die Wand gefahren und Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet hatte, feierte sie sich am Sechseläuten hoch zu Ross als wäre nichts gewesen. Wir hingegen, am Tag der Arbeit, sind heute in der ganzen Schweiz auf der Strasse, um zusammen und auf Augenhöhe eine Wirtschaft im Dienst der Menschen einzufordern, die allen ein Leben in Würde ermöglicht. Während die Grossbanken mit 259 Milliarden Franken gerettet werden, ergreifen wir Partei für die Kaufkraft der Menschen, die auf Grund der angehobenen Preise sinkt.

Während sich die alten, reichen Herren in Ihren Zunftkellern über Frauen und Minderheiten lustig machen, stehen wir am 1. Mai Schulter an Schulter für die Rechte aller Menschen ein. Wir sind hier, weil auch Menschen ohne Schweizer Pass ein Recht auf Teilhabe in unserer Demokratie und Geflüchtete ein Recht auf Schutz haben.

Während in den Zürcher Zünften Frauen nach wie vor höchstens als Dekoration oder als Objekt sexistischer Witze willkommen sind, mobilisieren wir am 1. Mai gemeinsam für den feministischen Streik am 14. Juni, weil es bei der Gleichstellung der Geschlechter, bei der Verteilung der Care Arbeit, bei der Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, der Lohngleichheit und beim Schutz vor Gewalt gegen Frauen endlich vorwärts gehen muss.

Und während die Herren Bankmanager sicher sein können, dass der Bundesrat Notrecht anwendet, wenn sie es verbockt haben, wissen wir, dass wir kämpfen müssen, wenn wir sozialen Fortschritt erreichen wollen.

Und schliesslich wissen wir, dass der nächste Hitzesommer nicht davon abhängt, wie schnell dem Böögg der Kopf explodiert, sondern vom lukrativen Geschäft mit dem CO2-Ausstoss der Öl-, Gas- und Kohleindustrie.

Diese zwei Seiten der Schweiz, die der Reichen, Arroganten und Sorglosen, und die der Ausgeschlossenen, Gehetzten und Perspektivlosen, driften immer mehr auseinander. Während die Vermögen der Reichsten sich in Windeseile vergrössern, sanken die Reallöhne im letzten Jahr im Schnitt um 1,9 Prozent. Die aktuelle Inflation treibt 78’000 Menschen zusätzlich in die Armut. Und das, während die 300 reichsten Schweizer und ein paar -innen 2022 auf 821 Milliarden Franken sassen. Es ist etwas dramatisch aus den Fugen geraten in der Schweiz. Eine Krise jagt die nächste und mit jeder Krise wird der Graben zwischen arm und reich breiter und tiefer.

Diese Entwicklung hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die soziale Realität in unserem Land, sie wirkt sich auch negativ auf unser Zusammenleben, auf die Demokratie aus. Wie sollen die Menschen noch Vertrauen in einen Staat haben, der bei den AHV-Renten nicht den vollen Teuerungsausgleich gewährt, aber ein paar Monate später unter Umgehung des Parlaments und ohne Auflagen die Banken rettet? Die UBS kriegt 9 Milliarden Verlustgarantie, viele Menschen wären froh, sie hätten 9 Franken mehr im Monat. Wie sollen die Menschen an positive gesellschaftliche Veränderungen glauben, wenn sie immer das Hohelied der «Eigenverantwortung» singen und behaupten, mit einem optimierten Lebenslauf und gesundem Lebenswandel können es alle schaffen, wo doch alle erleben, dass es nicht stimmt? Der Stillstand bei den Löhnen, den Renten und den Lebenschancen für die Mehrheit der Menschen führt dazu, dass die Bewunderung für autoritäre Lösungen und der Hass auf Sündenböcke zunimmt. Die tiefen sozialen Gräben in unserer Gesellschaft untergraben das Fundament unserer Demokratie. Ein Staat, der seinen Bewohner:innen nichts zurückgibt, verliert das Vertrauen ebendieser.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Schweiz wieder in die Balance bringen, wenn wir das Vertrauen in die Demokratie stärken wollen, dann geht das nur, wenn es in diesem Land gerechter zu und her geht. Die Demokratie muss zeigen, dass sie der Klima-Krise, dem Krieg in Europa und der wachsenden Umverteilung von unten nach oben etwas entgegenhalten kann. Und das geht nur wenn wir uns organisieren, wenn wir überzeugen, wenn wir kämpfen, Alternativen leben und Wahlen und Abstimmungen gewinnen. Dieser Kampf ist nicht alternativlos. Aber alle Alternativen sind eine Katastrophe.

Deshalb: Lasst uns Partei ergreifen gegen eine Schweiz des Sechseläutens und für eine Schweiz des 1. Mai. Lasst uns Partei ergreifen für die Kaufkraft, die Gleichstellung, das Klima und das Völkerrecht. Die Politik hat eine riesige Macht die Dinge zu verändern. Das haben wir in den letzten Monaten und Jahren immer wieder eindrücklich gesehen. Die Politik ist handlungsfähig, wenn sie muss und wenn sie will. Sorgen wir dafür, dass sie statt für eine Schweiz der Rücksichtslosigkeit für eine soziale Schweiz tut. Seien wir laut und mutig. Heute, am 18. Juni, bis zu den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober und darüber hinaus. Lasst uns gemeinsam Partei ergreifen für die soziale Schweiz!

Es lebe der 1. Mai!

Rede zum Tag der Arbeit 2023 in Uster und Obfelden. Es gilt das gesprochene Wort.