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Coronavirus: Internationale Solidarität und Eigeninteresse

Die Corona-Kurve in der Schweiz scheint langsam abzuflachen. Weltweit steigt sie hingegen rasant an. Während die Schweiz die finanziellen und gesundheitlichen Mittel hat, um gegen die Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen vorzugehen, ist das in vielen Entwicklungsländern nicht möglich. Ein Schweizer Sieg gegen ein globales Virus ist aber ziemlich nutzlos. 

Minus 50 Prozent. So viel dürfte die Weltwirtschaft im Jahr 2020 gemäss Prognose der OECD weniger wachsen. Das wäre schlimmer als in der Weltwirtschaftskrise von 2008. Und bereits damals waren die Folgen dramatisch: Weltweit hungerten kurzzeitig 200 Millionen Menschen zusätzlich. Über 1,2 Milliarden Personen waren von extremer Armut betroffen und die wirtschaftliche Ungleichheit erreichte ein nie da gewesenes Ausmass, die bis heute anhält. Auch die Schweiz würde von einer erneuten weltweiten Wirtschaftskrise hart getroffen werden. 

In den letzten Tagen wurde medial viel über die USA berichtet. Die Situation in den Vereinigten Staaten ist dramatisch: Täglich sterben Tausende in einem privatisierten Gesundheitssystem, das völlig unvorbereitet vom Virus getroffen wurde. Nicht zu sprechen von der wirtschaftlichen Krise, die die amerikanische Bevölkerung in Massenarbeitslosigkeit und Armut katapultiert. 

Weniger berichtet wurde bisher über die Situation in den Entwicklungsländern Lateinamerikas und Afrikas, die oftmals noch schlechter auf eine Pandemie vorbereitet waren als Europa und die USA. In Ecuador verbrennen Angehörige verzweifelt die Leichen ihrer Angehörigen, weil das Bestattungswesen kollabiert. Im Tschad haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel in den letzten Tagen verdreifacht. Und während reiche Länder wie die Schweiz, Deutschland oder die USA Milliarden mobilisiert haben, um die sozialen Folgen der Lockdowns abzumildern, fehlen in den ärmsten Ländern unseres Planeten die Mittel dafür. Je länger die Pandemie wütet, desto härter werden die wirtschaftlichen Folgen – für uns alle. 

Es waren westliche Touristinnen und Touristen, die das Coronavirus nach Lateinamerika und Afrika brachten. Es waren westliche und insbesondere Schweizer Banken, die Entwicklungsländer in die Schuldenfalle getrieben und so gute Gesundheitssysteme verhindert haben. Ja, wir haben eine Verantwortung für die globale Ungleichheit, die es heute erschwert, die Pandemie überall zu bekämpfen. 

„Wir sind nur so stark, wie das weltweit schwächste Gesundheitssystem“, stellte Uno-Generalsekretär António Guterres lapidar fest. „Niemanden zurücklassen“, das Motto der Uno-Nachhaltigkeitsagenda 2030, wird durch das Coronavirus von einer Aufforderung zu einer Notwendigkeit: Lassen wir jemanden zurück, fällt es auf uns alle zurück. Gesundheitlich, sozial, ökonomisch. Über zwei Milliarden brauchen die Uno-Organisationen sofort, um die Pandemie in den ärmsten Ländern zu bekämpfen. Die Schweiz hat bisher mickrige 18 Millionen Franken beigetragen. Wenn wir nicht wollen, dass wir unsere Wirtschaft wegen ein paar Schweizer-Peru reisenden Ende Jahr wieder runterfahren müssen, haben wir ein fundamentales Interesse, die Pandemie überall zu bekämpfen. Der Bundesrat sollte über einen Nachtragskredit schleunigst 300 Millionen Franken für den globalen Kampf gegen das Virus sprechen. Aus Solidarität und aus Schweizer Eigeninteresse

Der Beitrag erschien am 14.04.2020 auf Nau.ch.