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Korruption und Erpressung

Als Donald Trump am selbsterklärten «Liberation Day» vom 2. April dieses Jahres der Welt den Zollkrieg erklärte, war die bürgerliche Schweizer Polit- und Wirtschaftselite nicht sonderlich beunruhigt. Eher im Gegenteil. Die Schweiz müsse zwischen den Blöcken USA und Europa navigieren, hatte Bundespräsidentin Keller-Sutter zuvor in einem Interview erklärt und damit das Selbstverständnis der bürgerlichen Schweiz perfekt zusammengefasst. Die Schweiz, so die Logik, konnte sich während zwei Weltkriegen und im Kalten Krieg immer vornehm zurückhalten, war auch gegenüber den schlimmsten Autokratien neutral geblieben, unter dem Radar geflogen und konnte im Gegenzug mit allen bestens Geschäfte machen. Fleiss, Pünktlichkeit und Bankgeheimnis sei Dank. Diese Strategie würde uns wohl auch den Weg durch diese weltpolitische Verwerfung weisen. Schliesslich hasse Trump die EU, aber interessiere sich nicht für die kleine, unbedeutende Schweiz. Und was schlecht für die EU ist, könne ja nur gut für die Schweiz sein. Je länger die Unsicherheit anhielt, desto selbstbewusster wurden die Vertreter:innen der Offshore- Schweiz. «Irgendwie habe ich den Zugang zu Trump gefunden», erklärte Keller-Sutter Anfang Juli stolz.

Umso grösser dann der Schock, als die Schweiz ausgerechnet am Nationalfeiertag mit 39 Prozent Zöllen belegt wurde. 24 Prozent mehr als die EU. Eiligst musste eine neue Strategie her. Anstatt den Bruch des Welthandelsrechts endlich als solchen zu benennen, dagegen zu klagen oder sich Verbündete zu suchen, mobilisierte SVP-Bundesrat Parmelins Departement eiligst reiche Geschäftsleute, die das erreichen sollten, was Bundespräsidentin Keller-Sutter versemmelt hatte: sich bei Trump einzuschmeicheln.

Heute wissen wir, dass sie dies mit Goldbarren und Luxusuhren, aber insbesondere mit schmerzhaften Konzessionen, etwa dem Versprechen, Digitalkonzerne nicht zu besteuern oder den Schweizer Markt für Chlorhühner und Cybertrucks zu öffnen, erreicht haben.

Also: Wieder einmal erfolgreich durchgewurstelt – oder doch nicht?

Was jene, die beschlossen haben, Trumps Korruption und Erpressung mit Korruption und Gehorsam zu begegnen, übersehen, ist die Unsicherheit, mit der diese Strategie verbunden ist. Bis heute hat Trump trotz «Deal» die Zölle nicht gesenkt. Und er kann sie jederzeit wieder erhöhen, wenn die Schweiz nicht brav ist. Die Unterwerfung des Bundesrats ist also nicht nur entwürdigend für die demokratische Schweiz, sie erhöht auch die Abhängigkeit von der Willkür Trumps.

Die beste und naheliegendste Antwort auf Trumps Zollkrieg ist das Zusammenrücken all jener, welche sich an Recht und Ordnung in ihren internationalen Beziehungen halten. Mit dem Paket zur Stabilisierung und Weiterentwicklung unserer Beziehungen mit der EU liegt eine massgeschneiderte Lösung auf dem Tisch. Sie bringt Rechtssicherheit und schützt die Schweiz vor politischer Willkür. Anstatt Arbeitsplätze und Investitionen im Wert von 200 Milliarden Franken in die USA zu verlagern, bezahlt die Schweiz jährlich und gezielt 350 Millionen Franken in den EU-Finanzausgleich. Und anstatt 15 Prozent Zölle bekommt die Schweiz den Zugang zum Binnenmarkt und zu Forschungs-, Studierenden- und Weltraumprogrammen sowie eine Kooperation im Gesundheitsbereich. Anstatt Chlorhühner mehr Lebensmittelsicherheit. Und anstatt eines Verbots, den Datenklau der USA zu stoppen, kann die Schweiz im Sicherheitsbereich auf gemeinsame EU-Daten zugreifen. Kurz: Die Antwort auf Trumps Zollkrieg lautet Europa.

Dieser Beitrag erschien am 05.12.2025 zuerst im «P.S.». 

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