Krieg den Hütten
Am Montag kurz vor 16 Uhr startete der Glarner FDP-Neo-Ständerat Benjamin Mühlemann seinen Überraschungsangriff. Er deponierte seinen Antrag zur Armeebotschaft 2024 beim Ratssekretariat, in dem er verlangte, dass die Armee in den nächsten Jahren weitere vier Milliarden Franken zusätzlich für die Aufrüstung zugesprochen bekommen soll. Zwei Milliarden davon sollen beim Budget der Entwicklungszusammenarbeit gestrichen werden, der Rest bei den restlichen Bundesausgaben und beim Personal. Dem Antrag voraus ging eine lange und intensive Debatte über einen Kompromiss der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats, der ebenfalls mehr Mittel für die Armee vorsah, aber nicht zulasten der internationalen Solidarität und ausserhalb der Schuldenbremse, über eine Art Sondervermögen nach deutschem Vorbild. Damit wären die Armeeausgaben nach 2030 gedeckelt, die Hilfe für die Ukraine gesichert und das Budget der internationalen Zusammenarbeit zugunsten der ärmsten Bevölkerungen der Welt geschützt worden. Der Vorschlag wurde von einer Gruppe extrem konservativer Mitte-Ständeräte, dem «Sonderbund» (NZZ), verhindert. Danach verhalfen sie Mühlemanns Vorschlag, der – alle Indizien deuten darauf hin – mit Finanzministerin Keller-Sutter abgesprochen war, zum Durchbruch. Die FDP-Bundesrätin ist damit ihrem obersten Ziel, Ende Jahr ein ausgeglichenes Budget präsentieren zu können, wenn nötig über einen radikalen Staatsabbau, ein Stück näher gekommen.
Der Vorschlag des Ständerats ist für helvetische Verhältnisse ein politisches Erdbeben. Zusammen mit der vom Bundesrat bereits beschlossenen Kürzung von knapp zwei Milliarden Franken im Vorschlag für die internationale Zusammenarbeit der nächsten Strategieperiode bedeutet er eine Kürzung um einen Drittel der helvetischen Solidaritätsleistung im Kampf gegen Hunger und Armut auf der Welt.
Dies vor dem Hintergrund, dass Hunger und extreme Armut aufgrund von Corona, zahlreichen Kriegen und der Klimakrise in den letzten Jahren wieder angestiegen sind. Fast 800 Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr gehungert, und die Zahl der chronisch Hungernden steigt von Jahr zu Jahr, seit sich 193 Staats- und Regierungschefs mit der Ratifizierung der Ziele für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2015 zu «Null Hunger» bis 2030 verpflichtet haben.
Gleichzeitig sind die Militärausgaben grenzüberschreitend gestiegen, um die nationale Sicherheit zu stärken. Im Jahr 2023 beliefen sich die weltweiten Militärausgaben auf insgesamt 2,4 Billionen US-Dollar – Tendenz steigend.
Aktuelle Schätzungen von Oxfam zeigen, dass in diesem Jahr etwa 23 Milliarden Dollar nötig wären, um die Bedürfnisse von Menschen zu decken, die unter extremem Hunger und akuter Unterernährung leiden müssen. Ein Bruchteil der Militärausgaben würde also ausreichen, um die schlimmste Form der Not in der Welt zu beenden – und damit die menschliche Sicherheit zu erhöhen und Konflikten und Migration vorzubeugen. Obwohl die Schweiz pro Kopf heute schon mehr für die Armee als für die Entwicklungszusammenarbeit ausgibt, wollen die Herren Ständeräte in einem blinden Aufrüstungsrausch noch mehr Waffen auf Kosten der Ärmsten kaufen.
Dieser Beitrag erschien am 07.06.2024 zuerst im «P.S.».
Die Prioritäten richtig setzen
Vielen Dank, Herr Molina, für Ihren ausführlichen Bericht und Ihre klare Position zu diesem wichtigen Thema. Ich teile Ihre Besorgnis über die drastische Aufstockung des Verteidigungsbudgets auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit. In einer Zeit, in der die globalen Herausforderungen wie Armut, Hunger und Klimakrise zunehmen, sollten wir unsere Solidaritätsleistungen nicht kürzen. Stattdessen müssen wir uns darauf konzentrieren, nachhaltige Lösungen für diese Probleme zu finden und unseren Beitrag zur internationalen Hilfe zu verstärken.Die vorgeschlagene Umverteilung der Mittel zugunsten der Armee ist kurzsichtig und gefährdet langfristig die menschliche Sicherheit. Ein ausgewogenes und gerechtes Budget, das sowohl die nationale Sicherheit als auch die internationale Solidarität berücksichtigt, ist unerlässlich.Ich hoffe, dass der Ständerat diesen Antrag nochmals überdenkt und die Prioritäten zugunsten der ärmsten Bevölkerungen der Welt setzt. Mit freundlichen Grüßen,