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Verantwortungsethik für den Frieden

Finnland und Schweden haben diese Woche entschieden, der Nato beitreten zu wollen. Angesichts der Bedrohung durch Putins Russland für Sicherheit und Frieden in Europa ein verständlicher Schritt.

Sich einer militärischen Allianz anzuschliessen, hat zweifellos Vorteile. Finnland teilt über 1300 Kilometer Grenze mit seinem grossen Nachbarn und Stockholm wird nur durch die Ostsee von Russland getrennt. In einer Zeit, in der kollektive und kooperative Sicherheit geschwächt sind, scheint eine militärische Rückversicherung attraktiv.

Nur hat der Beitritt zu einer militärischen Allianz auch seinen Preis. Nicht nur, was die Rüstungsausgaben betrifft. Sondern auch aussenpolitisch. Schweden war über Jahrzehnte ein Champion der Friedens- und Menschenrechtspolitik. Wo immer Völkerrecht verletzt wurde, hat sich das blockfreie Land auf die Seite der Unterdrückten gestellt und lautstark für die Werte von Demokratie und Gerechtigkeit engagiert. Mit dem Beitritt zur Nato wird das schwieriger werden. Der Fall der autoritären Türkei zeigt das exemplarisch. Ob bei Repression im Innern oder bei illegalen Kriegen in Syrien oder im Irak haben die europäischen Staaten meist loyal und ohrenbetäubend geschwiegen, um ihren Allianzpartner nicht zu verärgern.

Putins illegaler Krieg hat die europäische Sicherheitsarchitektur über den Haufen geworfen. Kooperation, Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Verteidigung sind Aufrüstung und Abschreckung gewichen. Die Nato als Bündnis der reichen westlichen Staaten unter Führung der USA wird stärker, die UNO als Wächterin der regelbasierten Weltordnung schwächer. Das ist verständlich wie auch bedauerlich. Denn Frieden fördert man langfristig nicht durch militärische Dominanz, sondern durch gemeinsame Regeln und Kooperation.

Genau hier liegt die Stärke der Europäischen Union: Über Jahrzehnte hat sie einen gemeinsamen Raum der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit aufgebaut, wirtschaftliche Ungleichheiten abgebaut, Rivalitäten ausgeglichen und damit Frieden geschaffen. Das Erfolgsmodell EU ist es, das wir nach dem Krieg stärken müssen.

Was heisst das für die Schweiz? Bevor wir die Debatte darüber führen, ob unser Land seine Neutralität aufgibt und sich in die Arme der Nato wirft, müssen wir unsere Zugehörigkeit zu Europa klären. Die politische und wirtschaftliche Integration ist der militärischen vorzuziehen. Im Interesse der aussenpolitischen Unabhängigkeit, der geteilten demokratischen Souveränität und des Friedens. Oder kurz: Militärisch Blockfreiheit, politisch eine aktive Neutralität.

Unsere Zukunft liegt in der EU, nicht in der Nato.

Dieser Beitrag erschien am 20.05.22 zuerst im «P.S.».