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Der neueste Schrei aus Bern

Als FDP-Präsident Thierry Burkart am 13. September die NZZ aufschlägt, ist ein Interview mit dem Chef der Schweizerischen Bankiervereinigung abgedruckt. Darin fordert Roman Studer, dass die Schweiz der Oligarchen-Taskforce der G7 zur Aufspürung von russischen Geldern des Putin-Regimes beitrete. Das Abseitsstehen der Schweiz führe international zu viel Unverständnis und wenn die Schweiz auf technischer Ebene schon mit der Taskforce zusammenarbeite, könne man ja auch gleich beitreten. Thierry Burkart zögert nicht. Noch am selben Tag verkündet er zur Prime Time in der «Tagesschau » von SRF, dass jetzt auch die FDP für den Beitritt zur Taskforce sei.

Sieben Tage später im Bundeshaus: FDP-Fraktionschef Damien Cottier schreitet ans Rednerpult im Nationalratssaal und erklärt wortreich, weshalb die FDP nun doch nicht bereit sei, über eine entsprechende Motion zum Taskforce-Beitritt der Schweiz abzustimmen. Zu viele Fragen seien offen. Stattdessen weist Mitte-Rechts das Geschäft auf seinen Antrag hin der zuständigen Kommission zu. Der Kommission also, die zwei Wochen zuvor den Beitritt zur Taskforce zum wiederholten Mal deutlich abgelehnt hatte. Nach den Wahlen wird sich die Aussenpolitische Kommission erneut mit dieser Frage befassen. Vertraulich. Niemand wird wissen, ob die FDP nun zustimmen oder ablehnen wird.

September: Die Mitte-Partei fordert in ihrer Vernehmlassungsantwort über die Strategie zur internationalen Zusammenarbeit ein umfangreiches Unterstützungsprogramm für die Ukraine. Anders als der Bundesrat, der vorschlägt das Geld für die humanitäre Hilfe für die Ukraine bei den ärmsten Ländern des Globalen Südens abzuzweigen, fordert die Mitte-Partei, dass die Ukraine-Gelder separat beantragt werden und die «Verpflichtungskredite der vorliegenden IZA-Strategie deswegen nicht gekürzt werden» sollen. Unterschrieben ist das Dokument von Mitte-Präsident Gerhard Pfister, der sich in den letzten Monaten als grosser Unterstützer der Ukraine profiliert hatte.

Eine gute Woche später, am 27. September stehen auf der Traktandenliste des Nationalrats drei gleichlautende Vorstösse, die ein ausserordentliches Unterstützungsprogramm für die gebeutelte Ukraine im Bereich der humanitären Hilfe verlangen. Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy schreitet ans Rednerpult und spricht von einem angeblichen Rechtsgutachten des Bundesamts für Justiz (das niemand gesehen hat und dessen Existenz das Bundesamt später bestreitet) und verkündet wortreich, weshalb die Mitte nicht abstimmungsreif sei. Stattdessen müsse das Geschäft an die zuständige Kommission überwiesen werden. Sein Antrag ist erfolgreich.

Diese beiden Anekdoten sind nur zwei von unzähligen Beispielen, bei denen bei den Bürgerlichen Wort und Handeln auseinanderklaffen. Ob bei der Verbilligung der Krankenkassenprämien, der Senkung der Gesundheitskosten oder dem Ausbau der AHV: Immer wenn es darauf ankommt zu entscheiden, sind die Sonntagspredigten von rechts vergessen. Weil irgendeine Lobby interveniert hat. Oder weil man stattdessen Geld für die Armee braucht. Dieses «Maulheldentum» ist nicht nur im Wahljahr der neueste Schrei in Bern.

Dieser Beitrag erschien am 29.09.2023 zuerst im «P.S.».

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